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Mehr Kinder und Jugendliche benötigen eine Reha

Die seit März 2020 in Deutschland andauernde Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach einer Kinder- und Jugendreha enorm steigen lassen. Die Belastungen der Corona-Krise für Kinder und Jugendliche besonders zu Lockdown-Zeiten sind nicht folgenlos geblieben.

Der Verlust sozialer Kontakte und von Alltagsroutinen für Kinder und Jugendliche, Stress bis hin zu Aggression in den Familien sowie häusliche Gewalt aufgrund räumlicher Enge und geringer außerfamiliärer Freizeitaktivitäten haben zu mehr psychische Erkrankungen bei Kinder- und Jugendlichen geführt. Hinzu kommen Post-Covid-Erkrankungen, die für Kinder- und Jugendliche eine medizinische Reha notwendig machen.

Doch trotz der hohen Bedarfe und der Nachfrage ist die wirtschaftliche Lage der rund 50 auf Kinder und Jugendliche spezialisierten Rehakliniken in Deutschland dramatisch. Um die Hygieneregelungen einhalten zu können und weil immer wieder Familien kurzfristig coronabedingt nicht anreisen oder Infizierte entlassen werden müssen, kommen die Kliniken durchschnittlich nur auf eine Auslastung von 80 statt 95 Prozent. „Das bedeutet seit über zwei Jahren Mindereinnahmen von 15 Prozent bei unverändert 100 Prozent Kosten. Die Defizite betragen je nach Klinik bis zu über einer Million Euro pro Jahr“, beklagt Alwin Baumann, Sprecher des Bündnisses für Kinder- und Jugendreha (BKJR), das die Interessen der deutschen Reha-Kliniken für Kinder und Jugendliche vertritt.

Die unterstützenden staatlichen Hilfen sind trotz dieser dramatischen wirtschaftlichen Lage der Reha-Kliniken mit dem 1. Juli 2022 eingestellt worden. „Dabei müsste angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen die im Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) geregelte Unterstützung bei pandemiebedingter Minderbelegung über den 30.06.2022 weitergeführt werden“, fordert Baumann. Auch den ohnehin zu geringen Corona-Zuschlag von täglich 8 Euro pro Patient:in, damit die Kliniken die coronabedingten Mehrkosten finanzieren können, wird es ab der zweiten Jahreshälfte für die Reha-Kliniken nicht mehr geben. „Und dies, obwohl sich an dem Aufwand nichts geändert hat und im Herbst/Winter sicher auch nichts ändern wird. Ein Inflationsausgleich ist ebenso wenig geplant, obwohl die Preise vor allem für Energie und Ernährung durch die Decke gehen. Die Politik muss sich daher die Frage gefallen lassen: Wollen wir durch befürchtete Klinikinsolvenzen die erkrankten Kinder und Jugendlichen erneut im Stich lassen?“, so Baumann weiter.

Viele Kinder und Jugendliche benötigen mehr denn je eine Rehabilitation

Die Pandemie, in der die Kinder und Jugendlichen lange vergessen wurden, hat gezeigt, dass die Reha-Kliniken nötiger denn je gebraucht werden. Die Pandemie führte zu reduzierten Kontakten, Bewegungsmangel und einer Zunahme von Medienkonsum, Stress, Gewalt und Missbrauch. Die Folge ist eine wissenschaftlich belegte Zunahme von Adipositas, ADHS, Essstörungen und weiteren psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen, emotionalen Störungen und Schulabsentismus. Schon jetzt bestehen in den Reha-Kliniken und den psychiatrischen sowie therapeutischen Einrichtungen Wartezeiten. „Nachfrage und Angebot klaffen hier weit auseinander. Die Politik ist gefragt, um die Reha zu stärken und damit die spätere berufliche und soziale Teilhabe der jetzigen Kinder und Jugendlichen in vollem Umfang zu sichern und ihre Familien zu entlasten“, resümiert Baumann.

Pädiater:innen sehen Reha als elementaren Versorgungsweg und wichtige Weichenstellung für spätere Teilhabe: „Wir Kinder- und Jugendärzte können dieses Anliegen nur unterstützen. Wir erleben in unseren Praxen immer mehr psychisch belastete Kinder und Jugendliche. Die Corona-Folgen sind in dieser Gruppe deutlich spürbar. Für die betroffenen jungen Menschen bringt eine Reha häufig eine positive Wendung, sie lernen dort Strategien, um mit Belastungen besser umzugehen und Ressourcen für schwierige Zeiten zu entwickeln. Dies beides sind entscheidende Faktoren für die spätere berufliche und soziale Teilhabe“, sagt Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „Es wäre fatal, wenn dieser wichtige Versorgungsweg aufgrund eines Kliniksterbens wegbrechen oder eingeschränkt werden würde. Im Gegenteil, eine Stärkung der Reha für unsere Kinder und Jugendlichen muss das Ziel sein, keine Schwächung“, so Dr. Fischbach.

Weitere Informationen zur Kinder- und Jugendreha finden Sie auf der BKJR-Website: https://www.kinder-und-jugendreha-im-netz.de/startseite/