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Reha-Vergütung: Kein Zwang zum Tarifvertrag

Entsteht mit den neuen Verbindlichen Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) die Verpflichtung zum Abschluss eines Tarifvertrages? Prof. Dr. Ralf Kreikebohm hat dazu Antworten aus seinem Vortrag beim BDPK-Bundeskongress 2024 zusammengefasst.

Das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis bietet Juristen immer wieder spannende Fragestellungen. Die Leistungserbringung durch Dritte ist ein gängiges Muster bei der Umsetzung von Leistungsansprüchen der Leistungsberechtigten gegenüber den Leistungsträgern. Dann stellt sich die Frage der Vergütung für die erbrachten Leistungen. Dabei wird durchgängig die Refinanzierung am Maßstab der Angemessenheit im Sozialrecht angewendet. So auch im Recht der Rehabilitation in der Rentenversicherung.

Nach § 36 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB IX muss die Leistung zu angemessenen Vergütungssätzen ausgeführt werden. Da die Leistungsträger dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach § 69 SGB IV unterliegen, müssen sie den der vollen richterlichen Überprüfung unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Vergütung prüfen. Hierbei hilft § 38 Abs. Satz 1 SGB IX, wonach „die Bezahlung von tarifvertraglich vereinbarten Vergütungen“ nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden darf. Diese Vorschrift ist damit eine reine Beweiserleichterung für die Leistungserbringer hinsichtlich der Prüfung der Angemessenheit der vereinbarten Vergütungen. Sie trifft keine Aussagen zur Rechtsqualität der Vergütungsansprüche der Beschäftigten – also ob diese auf Tarifverträgen, Einzelarbeitsverträgen oder anderen Rechtgrundlagen beruhen.

Gesetz hat keine Rechtsfolgen definiert

Daran ändern auch die ab 1.7. 2023 geltenden Vorschriften im SGB VI nichts. § 15 Abs. 3 Satz 5 SGB VI verpflichtet die DRV Bund lediglich dazu, ein Vergütungssystem zu schaffen, wobei tariflich vereinbarte Vergütungen zu beachten sind. Die gleiche Formulierung findet sich in § 15 Abs. 8 Satz 2 Nummer 3 SGB VI wieder. Eine Rechtsfolge, was zu geschehen habe, wenn diese Vorschriften nicht beachtet werden, findet sich im Gesetz nicht. Auch gibt es keinerlei Hinweise, in welchem Verhältnis denn § 15 SGB VI zu der Regelung in § 38 SGB IX steht. Aus systematischen Gründen ist vielmehr anzunehmen, dass § 38 SGB IX den Regelungen im SGB VI vorgeht, weil im SGB IX die Grundnormen für das Vertragsverhältnis zwischen Leistungserbringer und Leistungsträger geregelt sind. Eine Auslegung, dass es zwingend eines Tarifvertrages auf Seiten der Leistungserbringer bedürfe, ist zudem verfassungsrechtlich nicht haltbar. Art. 9 Abs. 3 GG garantiert eben auch die negative Koalitionsfreiheit, also der Normgeber darf niemand in eine Koalition zwingen. Das wäre aber der Fall, wenn in einer Refinanzierungsvorschrift nur die Leistungserbringer berücksichtigt würden, die tarifgebunden wären. Die nicht tarifgebundenen Leistungserbringer würden als Anbieter von Rehabilitationsleistungen aus dem System fallen.

Ergibt sich durch den Blick auf das Arbeitsrecht ein anderes Ergebnis? Nein! Im Arbeitsrecht gilt zunächst die Normenhierarchie wie üblich, die höherrangige Norm verdrängt die niederrangigen Normen. Dieses Prinzip wird im Arbeitsrecht durch das Günstigkeitsprinzip durchbrochen. Danach gilt die Norm, die aus Sicht der Beschäftigten die bessere Regelung enthält. Davon wiederum macht § 77 Abs. 3 BetrVG eine Ausnahme. Der sogenannte Tarifvorbehalt hat den Sinn, die Tarifhoheit der Tarifvertragsparteien zu schützen. Deshalb ist es den Partnern einer Betriebsvereinbarung untersagt, Regelungen zu treffen, die in einem Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden. Das betrifft zum Beispiel Fragen der Entlohnung, die in Tarifverträgen geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden. Von dem Tarifvorbehalt nicht betroffen sind Einzelabreden mit den Beschäftigten. Da es vorliegend zudem an einem flächendeckenden Tarifvertrag fehlt, greift die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG ohnehin nicht. Außerdem könnten nur Gewerkschaften, in deren Zuständigkeitsbereich abweichende Betriebsvereinbarungen vorkommen, die Unwirksamkeit von der Arbeitsgerichtsbarkeit feststellen lassen. Die Leistungsträger sind im Rahmen ihrer Prüfung der Angemessenheit der Vergütung jedenfalls nicht aufgerufen, diese arbeitsrechtliche Frage zu prüfen.

Autor: Prof. Dr. Ralf Kreikebohm, Rechtsanwalt