Interview Bernd Meisheit

Die Digitalisierung ist ein zentrales Zukunftsthema für deutsche Krankenhäuser. Bund und Länder stellen mit dem KHZG ein Fördervolumen von bis zu 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Über die Herausforderungen und die Umsetzung in die Praxis berichtet Bernd Christoph Meisheit, Geschäftsführer der Sana IT Services GmbH im Interview, erschienen in f&w - führen und wirtschaften im Krankenhaus, Heft 02/2021.

Herr Meisheit, wie sind die Sana Kliniken aktuell bei den Themen Digitalisierung und IT-Sicherheit aufgestellt? In welchen Krankenhausbereichen wird Digitalisierung bereits gelebt?

Die Sana Kliniken sehen sich als Vorreiter beim Thema Digitalisierung. So haben wir in den vergangenen Jahren konsequent und ressourcenintensiv in den Ausbau der IT-Infrastruktur und die Digitalisierung investiert. Die Schwerpunkte waren unter anderem:

  • Ausbau des deutschlandweiten, Sana-internen, hochsicheren Netzwerks auf Bandbreiten von 10 Gbit
  • Auf- und Ausbau des Sana-eigenen Sana-Private-Cloud- Rechenzentrums
  • Implementierung einer konzernweiten IHE- und FIHR-Plattform inklusive eines Daten-Repositories zum medienbruchfreien, internen und intersektoralen Datenaustausch
  • Realisierung der elektronischen Patientenakte mit den Krankenkassen AOK und TK
  • Realisierung der papierlosen internen, digitalen Patientenakte
  • Projektstart zum konzernweiten Patientenportal ist erfolgt: barriere- und medienbruchfreie Kommunikation mit Patienten und Niedergelassenen mit den Funktionen Termin-, Aufnahme-, Behandlungs- und Entlassmanagement

Außerdem hat die Sana Kliniken AG erkannt, dass wir auch durch die Zusammenarbeit mit innovativen Partnern, insbesondere mit Digital Health Start-ups, Prozesse beschleunigen und vereinfachen sowie das Patientenerlebnis verbessern können. Dazu wurde bereits 2016 die Abteilung Sana Digital ins Leben gerufen. Um nur ein paar Projektbeispiele zu nennen:

  • Einführung eines App-basierten Systems zur Beschleunigung und Vereinfachung der fotografischen Dokumentation von Wunden
  • Einsatz eines IoT-Systems in unserer Region NRW zur Echtzeitsteuerung von Krankenhausprozessen, etwa der Bettenaufbereitung und dem Bettenmanagement
  • Implementierung eines sektorenübergreifenden Buchungssystems für die Nachversorgung von Patienten
  • Schaffung eines App-Angebotes namens „MeineSana“ zur Begleitung von Patienten vor, während und nach dem stationären Aufenthalt – die perspektivisch in die Portallösung migriert werden wird
  • Erste Nutzung von Virtual Reality in der Ausbildung von medizinischem Personal

Der Reifegrad der IT-Sicherheit wird parallel dazu natürlich laufend erhöht, um trotz fortschreitender Digitalisierung und internen sowie intersektoralen Vernetzungen die Versorgung der Patienten auch künftig ausreichend abzusichern und zu gewährleisten.

Für die mit dem KHZG bereitgestellten Investitionsmittel gelten umfangreiche Förderrichtlinien. Wie stark ist das Vergabeprozedere reglementiert, wie hoch sind die bürokratischen Hürden?

Es muss sehr darauf geachtet werden, dass die geplanten und beantragten Maßnahmen überhaupt realisiert werden können.

Dabei müssen wir verstärkt auf die Besonderheiten der unterschiedlichen Bundesländer achten. Denn diese gehen bei der Ausgestaltung des Antragverfahrens, insbesondere bei den Fristen für die Zusendung der Bedarfsmeldungen, unterschiedliche Wege und erhöhen damit den Zeitdruck in den Kliniken erheblich. Als Beispiele seien hier Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin genannt, die die Zusendung von Interessenbekundungen oder Bedarfsmeldungen bereits Anfang bis Mitte des ersten Quartals 2021 verlangen. Auch bei der Verteilung von Fördermitteln auf die Kliniken verfolgen die Bundesländer unterschiedliche Strategien. Einige Länder wie Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben die von den Kliniken zu erwartenden maximalen Fördermittelbeträge über Verteilungsschlüssel errechnet und den Einrichtungen auch mitgeteilt. Das bedeutet natürlich nicht, dass daraus ein Anspruch der Kliniken auf Fördermittel entsteht, hilft aber sehr dabei, die Vorhaben für eine KHZG-Förderung auszuwählen.

Die Förderung soll zu 70 Prozent vom Bund und zu 30 Prozent vom Land bereitgestellt werden. Wie bereitwillig werden die Länder ihren Anteil am Fördervolumen beisteuern?

Es haben sich noch nicht alle Bundesländer dazu geäußert, ob sie ganz oder wenigstens teilweise den 30-prozentigen Anteil der Fördersumme übernehmen. Allerdings hat diese Entscheidung einen wesentlichen Einfluss auf die Auswahl der Vorhaben in den Kliniken. Es ist erheblich für eine Klinik, ob gerade für die kostenintensiven innovativen Vorhaben ein finanzieller Eigenanteil durch den Träger zu leisten ist oder nicht.

Für die KHZG-Förderung hat die Politik viel Lob bekommen. Aber es gibt auch Zweifel, ob die bereitgestellten Mittel ausreichen. Wie sind Ihre Einschätzungen und Erwartungen dazu?

Um mittelfristig bei der Digitalisierung und den informationssicherheitstechnischen Schutzzielen auf ein ähnliches Niveau wie in der deutschen Industrie zu gelangen, sind im deutschen Gesundheitssystem nach heutigen Schätzungen Investitionen von mindestens 40 Milliarden Euro erforderlich. Davon werden knapp 20 Milliarden Euro im Krankenhaus benötigt. Die Mittel verteilen sich zu jeweils einem Drittel auf die weitere Ertüchtigung der IT-Systeme, die Digitalisierung und Maßnahmen zur steten Erhöhung der Informationssicherheit. Die benötigten Mittel sind aus dem Krankenhausbetrieb heraus nicht finanzierbar. Das Krankenhauszukunftsgesetz ist eine riesige Chance und ein sehr begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung. Jedoch müssen weitere Förderprogramme unbedingt von der Politik forciert und initiiert werden. Da künftig nicht nur Sicherheitsinfrastruktur gefördert werden muss, sondern der Schwerpunkt auf der Etablierung von informationssicherheitstechnischer Organisation und Verfahren liegt, müssen nicht nur Investitionen, sondern auch laufende Kosten gefördert werden.

Die im KHZG festgelegte Verpflichtung von 15 Prozent der jeweiligen Fördersumme ist ein guter Anfang, bleibt aber der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, wenn dies als einmalige Anstrengung gesehen wird. Jeder weitere Prozess, der digitalisiert wird, stellt ein weiteres Einfallstor dar, durch das Cyberangriffe ausgeübt werden können. Und die Entwicklung der Bedrohungslage – gerade auch während der Covid-19-Pandemie – zeigt, dass das Gesundheitswesen als lukratives und vielversprechendes Angriffsziel gesehen wird. Hier kann die Politik in Zukunft regelmäßig Anreize für die Kliniken schaffen, in das für sie überlebenswichtige Feld der Cybersicherheit zu investieren. Bei allen Maßnahmen muss zudem künftig das Thema Informationssicherheit berücksichtigt werden. Ohne angemessene Sicherheit wird es keine erfolgreiche Digitalisierung der Patientenversorgung geben.