Pflegepersonal

Pflegepersonaluntergrenzen

Die Pflegepersonaluntergrenzen wurden aufgrund der Corona-Pandemie im März 2020 ausgesetzt. Seit dem 1. August 2020 wurden sie zunächst auf Intensivstationen und in der Geriatrie wieder in Kraft gesetzt, seit dem 1. Februar 2021 in allen bisherigen Bereichen (Unfallchirurgie, Kardiologie, Herzchirurgie, Neurologie, neurologische Schlaganfalleinheit, neurologische Frührehabilitation) sowie neu in der Inneren Medizin, der allgemeinen Chirurgie und der Pädiatrie. Da durch die Selbstverwaltungspartner keine Einigung hinsichtlich der Pflegepersonaluntergrenzen erzielt werden konnte, wurde die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung erneut durch das BMG erlassen. Im Januar 2021 hat das BMG das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) mit einer Datenerhebung zum Zweck der Festlegung neuer Pflegepersonaluntergrenzen beauftragt. Die Datenerhebung soll den Bereich Pädiatrie sowie die Bereiche Orthopädie, Gynäkologie und Geburtshilfe als neue Leistungsbereiche umfassen.

Aus Sicht des BDPK sind die Pflegepersonaluntergrenzen ein aufwendiges und fehleranfälliges Instrument. Ihr fehlender Praxisbezug wird auch daran deutlich, dass sie gleich zu Beginn der Corona-Pandemie ausgesetzt wurden. Unverständlich und vom BDPK scharf kritisiert wurde, dass die Untergrenzen im August trotz andauernder Pandemie wieder in Kraft gesetzt und sogar erweitert wurden. Gerade in Zeiten einer angespannten Personalsituation, insbesondere aufgrund von Fachkräftemangel sowie Personalausfall infolge von Quarantäne und Corona-Erkrankungen, zeigt sich, dass die Pflegepersonaluntergrenzen den Pflegepersonalmangel nicht beseitigen können. Stattdessen erschweren sie mit ihrem hohen bürokratischen Aufwand die pflegerischen Tätigkeiten und einen flexiblen, an den jeweiligen Versorgungsbedarf angepassten Personaleinsatz.

Mit dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz wurde festgelegt, dass Krankenhäuser, welche coronabedingte Ausgleichszahlungen erhalten, die Untergrenzen nicht nachweisen müssen. Diese Regelung ist zwar sinnvoll, sollte jedoch auf alle Häuser ausgeweitet werden, da zweifelsfrei alle Kliniken aufgrund der Pandemie vor immensen Herausforderungen im Hinblick auf Personalausfälle stehen.

Zu kritisieren sind auch die im Jahr 2021 neu eingeführten Untergrenzen für die allgemeine Chirurgie. Hier zeigt sich auch die Inflexibilität dieses Instruments, denn Besonderheiten beispielsweise für konservative orthopädische Abteilungen können nicht berücksichtigt werden: Im Gegensatz zu orthopädischen Abteilungen mit operativem Schwerpunkt steht hier der therapeutische Ansatz (Beweglichkeit verbessern, chronische Schmerzen lindern) im Mittelpunkt. Die hier vor allem tätigen Therapeuten (Physiotherapeuten, Schmerztherapeuten, Psychotherapeuten usw.) werden nicht auf die Pflegepersonaluntergrenzen angerechnet. In der Folge können wichtige Versorgungsangebote unter Umständen nicht mehr aufrechterhalten werden.

Statt der Wiedereinführung und Erweiterung der Pflegepersonaluntergrenzen wäre es aus Sicht des BDPK wesentlich sinnvoller und zielgerichteter, pflegeentlastende Maßnahmen im Pflegebudget besser zu fördern.

Pflegepersonalquotient

Der Pflegepersonalquotient wurde mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz im Januar 2019 eingeführt und ist in § 137j SGB V geregelt. Der Quotient wird auf Ganzhausebene ermittelt und beschreibt das Verhältnis der Anzahl der Vollzeitkräfte in der unmittelbaren Patient:innenversorgung auf bettenführenden Stationen zu dem Pflegeaufwand eines Krankenhauses. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) ermittelt den Pflegepersonalquotienten jährlich standortbezogen für jedes nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhaus. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist ermächtigt, eine Untergrenze für das erforderliche Verhältnis zwischen Pflegepersonal und Pflegeaufwand festzulegen, bei der widerlegbar vermutet wird, dass eine nicht patient:innengefährdende pflegerische Versorgung noch gewährleistet ist. Das Unterschreiten dieser Grenze hat für die Krankenhäuser Sanktionen zur Folge. Die Festlegung, wann diese kritische Grenze erreicht ist, hat das BMG bisher nicht getroffen. Die Vereinbarung zur Höhe und näheren Ausgestaltung dieser Sanktionen ist aufgrund des gesetzlichen Auftrags an die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und den GKV-Spitzenverband (GKV-SV) bereits seit dem 31.07.2019 in Kraft. Als Sanktionen sind Vergütungsabschläge oder eine Verringerung der Fallzahl vorgesehen. Zusätzlich können Maßnahmen vereinbart werden, die das Krankenhaus zur Gewinnung zusätzlichen Pflegepersonals zu ergreifen hat.

Im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) ist die jährliche Veröffentlichung des Pflegepersonalquotienten auf der Website des InEK vorgesehen, erstmals bis zum 31. August 2021. Neben den Pflegepersonalquotienten soll das InEK zudem standortgenau auch die Zusammensetzung des in der Pflege am Bett eingesetzten Pflegepersonals gegliedert nach Qualifikationsniveau ausweisen; Pflegehilfspersonal soll nur noch eingeschränkt angerechnet werden. Das Gesetz sieht zudem vor, den Zeitpunkt der erstmaligen Sanktionierung im Fall des Unterschreitens einer Untergrenze künftig gemeinsam mit der Festlegung der Untergrenze in einer Rechtsverordnung zu bestimmen und die bisher vorgesehene Sanktionierung für das Budgetjahr 2020 aufzuheben.

Der BDPK lehnt den Pflegepersonalquotienten ab. Ursprünglich sollte anhand des Pflegepersonalquotienten das Verhältnis von beschäftigtem Pflegepersonal zu den kalkulierten Pflegepersonalkosten abgebildet werden. Nachdem die Pflegepersonalkosten aber aus den Fallpauschalen ausgegliedert wurden und nun durch das individuell zu vereinbarende Pflegebudget finanziert werden, fehlt dem Pflegepersonalquotienten die Grundlage zur Bewertung einer angemessenen Pflegepersonalausstattung. Zu kritisieren ist auch die vom BMG willkürlich zu definierende Untergrenze und die damit verbundenen finanziellen Sanktionen. Zudem doppelt sich das Instrument mit den bereits von den Krankenhäusern einzuhaltenden Pflegepersonaluntergrenzen. Auch die mit dem GVWG vorgesehene Veröffentlichung des Pflegepersonalquotienten ist aufgrund seines nur eingeschränkten Informationsgehalts abzulehnen.

Pflegepersonalbemessungsinstrument

Die DKG fordert zusammen mit dem Deutschen Pflegerat (DPR) und der Gewerkschaft ver.di die Einführung eines dauerhaften Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstruments mit Ganzhausbezug als Alternative zu den Pflegepersonaluntergrenzen und dem Pflegepersonalquotienten. Ende 2020 beauftragte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) DKG, DPR und ver.di sowie den GKV-Spitzenverband (GKV-SV), gemeinsame Punkte zur Pflegepersonalbedarfsbemessung abzustimmen. Im Frühjahr 2021 wurde dem BMG ein Eckpunktepapier zur Entwicklung und Erprobung eines dauerhaften Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstruments vorgestellt. Dieses soll unbürokratisch die für die bedarfsgerechte Versorgung der Patient:innen erforderliche Ausstattung mit Pflegepersonen messen und gute Pflege und Patient:innensicherheit in einer hohen Qualität der Versorgung gewährleisten. Dieses Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument soll für die unmittelbare Patient:innenversorgung auf allen bettenführenden somatischen Bereichen des gesamten Krankenhauses Anwendung finden und nach Vorstellung der Parteien spätestens ab 2025 angewendet werden.

Die Politik scheint die Forderung nach einem Pflegepersonalbemessungsinstrument aufgreifen zu wollen: Mit einem Änderungsantrag zum Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) vom 23.04.2021 sollen die Vertragsparteien auf Bundesebene den gesetzlichen Auftrag erhalten, im Einvernehmen mit dem BMG die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur Personalbemessung in der Pflege im Krankenhaus bis zum Ende des Jahres 2024 sicherzustellen.

Eine Alternative zu starren Pflegepersonaluntergrenzen und dem Pflegepersonalquotienten ist wünschenswert, doch wird auch ein anderes Instrument das eigentliche Problem nicht lösen können. Denn wenn in Kliniken die Mindestpersonalzahl nicht erreicht wird, dann liegt dies nicht am Unwillen oder der Sparwut von Klinikleitungen, sondern ausschließlich am existierenden Fachkräftemangel. Die Ursachen für diesen Mangel sind vielfältig und lassen sich nicht durch Einzelmaßnahmen beseitigen. Gleichwohl könnte ein Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument als größtmöglicher Kompromiss der einzige Weg sein, die unbrauchbaren Personaluntergrenzen zu ersetzen.

Fachkräftemangel

Aktuell haben drei Viertel der deutschen Krankenhäuser Schwierigkeiten, offene Stellen in der Pflege zu besetzen. Es bedarf gemeinsamer Initiativen und Anstrengungen aller Beteiligten, um dieser Situation zu begegnen und die gute Behandlung und Pflege der Patient:innen sicherzustellen. Die Attraktivität des Pflegeberufs muss gestärkt werden, um Berufsanfänger und Rückkehrer für den Pflegeberuf zu gewinnen. Der BDPK setzt sich dafür ein, die Wertschätzung für die Pflegeberufe zu erhöhen und neue, innovative Modelle von Arbeitsteilung weiterzuentwickeln.

Examinierte Pflege muss durch das Zusammenwachsen ärztlicher und pflegerischer Aufgabenbereiche aufgewertet werden (Substitution). Gleichzeitig muss die seit Jahrzehnten gewachsene, eingespielte und bewährte Zusammensetzung der Teams aus examinierten Pflegefachkräften, therapeutischen Spezialdisziplinen (Physiotherapeut:innen, Ergotherapeut:innen, Sprachtherapeut:innen oder Neuropsycholog:innen) und angelernten Assistent:innen erhalten bleiben. Zu häufig verengt sich der Blick in der öffentlichen Diskussion auf ein berufsrechtlich starres Pflegeverständnis, das dieser Vielfalt nicht gerecht wird. Pflege ist mehr als ein Berufsabschluss. Der BDPK setzt sich für ein funktionelles Pflegeverständnis ein, das Patient:innen in den Mittelpunkt stellt. Hierzu gehören pflegetherapeutische Anwendungen durch Spezialist:innen (z. B. Waschtraining, Anziehtherapie, Essensbegleitung, Vertikalisierung). Pflegehilfskräfte sind auf den Stationen der Krankenhäuser unverzichtbar, weil sie die examinierten Krankenpfleger:innen bei der Patient:innenversorgung immens entlasten. Sie geben den Patient:innen Hilfestellung beim Essen, bei der Körperpflege, helfen ihnen beim Aufstehen oder dem Gang zur Toilette und übernehmen den Wäschedienst.

Eine qualitativ hochwertige Pflegeausbildung ist ein weiterer essenzieller Bestandteil, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Der Fachausschuss Krankenhäuser hat daher im September 2020 die FAG Pflegeausbildung ins Leben gerufen. Innerhalb der AG tauschen sich die Mitglieder aus Krankenhäusern sowie Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen zu Kennzahlen rund um die Pflegeausbildung (Anzahl Auszubildender, Ausbildungsabbrüche, Übernahmequoten etc.) aus und diskutieren Ansätze zur Fachkräftebindung und Fachkräftegewinnung durch Ausbildung. Ebenfalls tauschen sich die Teilnehmenden zu Erfahrungen in Bezug auf die seit dem 01.01.2020 eingeführte generalistische Pflegeausbildung aus.