Krankenhausreform

Analysen und Alternativen

Der Gesetzentwurf für die Krankenhausreform soll auf der Grundlage von Eckpunkten erarbeitet werden, auf die sich Bund und Länder am 10. Juli geeinigt haben. Seine Bewertungen und Vorschläge dazu hat der BDPK Punkt für Punkt zusammengefasst.

Einteilung in Level

Auf den ursprünglichen Vorschlag des Bundesgesundheitsministers, im Zuge der Reform alle Krankenhäuser in Deutschland in einheitliche Versorgungslevel einzuordnen, konnte sich die Bund-Länder-Gruppe nicht einigen. Nun soll stattdessen ein separates, zustimmungsfreies Transparenzgesetz kommen, mit welchem die Veröffentlichung der Versorgungslevel, der zugewiesenen Leistungsgruppen und der „Daten zur Behandlungsqualität“ umgesetzt werden soll. Die Veröffentlichung soll für Patient:innen verständlich im Internet erfolgen, um eine „öffentlich zugängliche Transparenz“ zu schaffen.

Bewertung BDPK: Initiativen zur Verbesserung von Qualitätstransparenz sind grundsätzlich sinnvoll. Der BDPK setzt sich dafür schon seit Jahren ein, unter anderem mit der Initiative Qualitätsmedizin (IQM) und dem Portal Qualitätskliniken.de. Allerdings ist die vorgesehene Einführung von Leveln keine geeignete Lösung für eine evidente und sachgemäße Darstellung von Qualität.

Vorschlag BDPK: Für eine konsequente und laienverständliche Darstellung der Qualitätsergebnisse der Krankenhäuser sollte der Fokus auf risikoadjustierten und plausiblen Indikatoren liegen und unbedingt Behandlungsergebnisse beinhalten, die sich zum Beispiel mit Komplikations- und Mortalitätsraten messen lassen.

Leistungsgruppen

Vorgesehen ist eine erstmalige Definition, die nach NRW- Vorbild erfolgt und zusätzliche Leistungsgruppen zu Infektiologie, Notfallmedizin, spezielle Traumatologie, spezielle Kinder- und Jugendmedizin sowie spezielle Kinder- und Jugendchirurgie umfasst. Ihre Entwicklung soll mehrstufig erfolgen: Wissenschaftliche Fachgesellschaften leisten nach Beauftragung durch Bund und Länder Vorarbeit, die Konkretisierung in der zweiten Stufe erfolgt durch einen gesetzlich festgeschriebenen Krankenhaus-Leistungsgruppen-Ausschuss (mit BÄK, DKG, GKV-SV). Die Zuordnung der Leistungsgruppen erfolgt durch die Landesplanungsbehörden.

Bewertung BDPK: Leistungsgruppen sind grundsätzlich sinnvoll und geeignet, die Anforderungen an eine gute Patientenversorgung zu definieren. Allerdings liegt auch hier bisher ein zu starker Fokus auf Strukturvorgaben, denn die Zahl der Fachabteilungen und der Beschäftigten allein ist kein Beleg für gute Medizin. Ausschlaggebend sind vielmehr die erzielten Behandlungsergebnisse.

Vorschlag BDPK: Bei der Festlegung von Qualitätsanforderungen sollte bürokratiearmen Kriterien wie Mindestmengen und Ergebnisqualitätsindikatoren Vorrang gegenüber Strukturvorgaben gegeben werden. Durch die Einführung der Leistungsgruppen redundant gewordene Qualitätsvorgaben sind entsprechend zu streichen (zum Beispiel die Qualitätsrichtlinien des G-BA, Pflegepersonaluntergrenzen und OPS- Strukturprüfungen durch den Medizinischen Dienst).

Vorhaltefinanzierung

Vorgesehen ist ein pauschaler, gesetzlich vorgegebener Vorhalteanteil von durchschnittlich 60 Prozent der DRG-Vergütung inklusive Pflegebudget und ein abgesenkter rDRG-Anteil von 40 Prozent. Die Ausweisung des aus den Fallpauschalen ausgegliederten Volumens soll nach Land und Leistungsgruppen erfolgen. Jedes Krankenhaus wird vom InEK in jeder ihm durch das Land zugewiesenen Leistungsgruppe nach bisheriger Fallzahl und Fallschwere eingestuft werden, eine Neueinstufung ist zunächst nach zwei Jahren, danach alle drei Jahre vorgesehen. Fallzahlveränderungen innerhalb eines Korridors von +/- 20 Prozent sollen keine Auswirkungen auf die Einstufung bezüglich der Fallzahl haben, die Fallschwere soll umfassend berücksichtigt werden. Uniklinika sollen einen Zuschlag für zusätzliche Koordinierungsaufgaben erhalten und es sind zusätzliche Sicherstellungszuschläge für die Bereiche Pädiatrie, Geburtshilfe und Notfallversorgung vorgesehen. Ein Anspruch auf das Vorhaltebudget besteht, wenn das Land dem Krankenhaus eine Leistungsgruppe zugeordnet hat und Qualitätskriterien der Leistungsgruppe erfüllt sind.

Bewertung BDPK: Der Bund greift durch die Verknüpfung von Leistungsgruppen und Vorhaltefinanzierung indirekt in die Krankenhausplanung ein. Dahinter steht offensichtlich das Ziel, die Patientenzahlen im Krankenhaus „um jeden Preis“ zu reduzieren. Die Kombination von Kapazitätsreduzierung und Vorhaltefinanzierung wird letztlich zu Wartelisten für medizinisch notwendige Behandlungen führen. Zudem sind ineffiziente Strukturen zu befürchten, da die Vorhaltefinanzierung nicht dazu motiviert, Patient:innen tatsächlich und gut zu versorgen: Kliniken mit wenigen Patient:innen werden ebenso bezahlt wie die mit hoher Leistung. Ob die erhoffte ökonomische Entlastung der Kliniken eintritt, ist zweifelhaft, da den Krankenhäusern mit der Einführung der Leistungsgruppen neue kostenverursachende Strukturanforderungen auferlegt werden. Ein Großteil der Krankenhäuser wird zukünftig nicht mehr, sondern weniger Geld erhalten.

Vorschlag BDPK: Der Geltungsbereich der Vorhaltefinanzierung sollte an die Sicherstellung geknüpft werden. Dementsprechend könnte eine volle Finanzierung der Betriebs- und Investitionskosten entweder bei bedarfsnotwendigen Leistungsgruppen (zum Beispiel Notaufnahme, Notfallambulanz/INZ, Geburtshilfeabteilung, Intensivstation) erfolgen oder für Krankenhäuser in ländlichen Regionen gelten (entsprechend dem System des Sicherstellungszuschlags). Sinnvoll wäre zudem die Einführung eines „atmenden“ Vorhaltebudgets, das schneller auf Fallzahlveränderungen reagiert.

Fachkrankenhäuser

Vorgesehen ist, dass zwischen Bund und Ländern eine konkrete Definition des Begriffs Fachklinik/Fachkrankenhaus ab- gestimmt wird. Grundsätzlich sollen Fachkrankenhäuser Krankenhäuser sein, die in den Landeskrankenhausplänen ausgewiesen sind, sich auf die Behandlung einer bestimmten Erkrankung oder Krankheitsgruppe spezialisiert haben und in relevantem Umfang zur Behandlung in ihrem Spezialisierungsbereich beitragen. Die Landesplanungsbehörden sollen entscheiden, inwieweit Fachkliniken ausnahmsweise auch an der Notfallversorgung teilnehmen sollen.

Bewertung BDPK: Die bisherige Einschränkung der Definition auf die Krankenhäuser, die in den Landeskrankenhausplänen ausgewiesen sind, führt zu einem Ausschluss bedarfsnotwendiger Krankenhäuser mit Versorgungsvertrag nach § 109 SGB V. Zudem müssen unbestimmte Rechtsbegriffe wie „relevanter Umfang“ präzisiert werden, da andernfalls unterschiedliche Auslegungen bei der Umsetzung drohen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, dass Länder Fachkrankenhäuser in die Notfallversorgung integrieren können. Zur Sicherstellung der allgemeinen Notfallversorgung sind Fachkrankenhäuser allerdings nicht verpflichtet und es darf kein Abschlag zur Anwendung kommen.

Vorschlag BDPK: Für eine zutreffende und sachgerechte Einordnung sollte die Definition lauten: „Fachkrankenhäuser sind auf ausgewählte medizinische Fachgebiete spezialisiert und zeichnen sich durch einen hohen Anteil an Patient:innen der jeweiligen Krankheitsbilder aus. Häufig haben sie einen überregionalen Versorgungsauftrag in wenigen ausgewählten Fachdisziplinen. Fachkrankenhäuser stehen im Mittelpunkt der spezialisierten Behandlung für die jeweiligen Fachdisziplinen und behandeln auch die schweren und schwersten Krankheitsbilder ihres Disziplinenspektrums. Fachkrankenhäuser zeichnen sich je nach Indikation und medizinischem Konzept durch sektorübergreifende Behandlungskonzepte aus.“

Sektorübergreifende Versorgung (Level 1i)

Vorgesehen ist, dass Level-1i-Einrichtungen zumeist allgemeine und spezialisierte ambulante fachärztliche Leistungen erbringen und über Akutpflegebetten verfügen. Für sie soll bundesgesetzlich ein Leistungskatalog erstellt werden, der definiert, welche Leistungen diese Einrichtungen künftig nicht erbringen dürfen. Die Leistungserbringung wird durch krankenhausindividuelle, degressive Tagessätze vergütet. Die Level-1i-Einrichtungen sollen sich regelhaft nicht im Krankenhausplan des Landes befinden und keinen Anspruch auf Investitions- sowie Vorhaltefinanzierung haben.

Bewertung BDPK: Das Leistungsspektrum für Level-1i-Einrichtungen wird unabhängig von der Versorgungssituation in der Region bundeseinheitlich auf wenige Leistungsgruppen limitiert. Der Ausschluss von Vorhaltevergütung und regelhafter Finanzierung von Investitionen schränkt die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Einrichtungen massiv ein.

Vorschlag BDPK: Level-1i-Einrichtungen sind zwingend in die Investitionsplanung der Länder einzubinden. Wo die Sicherstellung durch haus- und fachärztliche Versorgung nicht gewährleistet werden kann, müssen sie hierfür ambulant geöffnet werden. Eine so umfassende Veränderung der Krankenhausversorgung benötigt Anreize: Ein Lösungsansatz kann die Fortschreibung des Budgets für die Phase der Umsetzung sein.