Digitalisierung wird ausgebremst

Kürzungen statt Förderung

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) kürzt die Vergütung für digitale Nachsorgeangebote sowie den Leistungsumfang für Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR). Die von den Leistungserbringer-Verbänden vorgetragene Kritik wird von der DRV abgetan.

Im Sommer 2023 hatte die DRV den Reha-Einrichtungen per Rundschreiben mitgeteilt, die Verweildauer für MBOR-Leistungen in der Orthopädie für stationäre und ambulante Leistungen werde um einen beziehungsweise anderthalb Tage verkürzt. Eine Begründung blieb aus und die Vorgabe sei ab sofort bei Neuaufnahmen zu berücksichtigen. Die Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation SGB IX (AG MedReha) kritisierte dies in einem Schreiben an die DRV Bund und ihre Regionalträger und wies darauf hin, dass das Vorgehen der DRV die Einrichtungen vor schwierige Herausforderungen stelle und zwangsläufig zu einer qualitativen Herabstufung der MBORB-Leistungen führe. Hintergrund ist, dass die Kliniken nach Aufforderung der DVR bereits vor Jahren ein Konzept und eine Vergütungskalkulation vorgelegt haben, die die DRV Bund zwar zugelassen hatte, aber zu einem anderen, nicht näher definierten Vergütungssatz, der unterhalb der Kalkulationen der Kliniken lag. Damals wurde den Einrichtungen der niedrigere Preis so begründet, dass kompensatorisch die Verweildauer bei MBOR-B-Leistungen länger als bei der Standard-Reha sei.

Knapp zwei Monate für ein Antwortschreiben

Die jetzt ankündigte Kürzung ist also – auch wenn sie oberflächlich betrachtet gering ausfällt – ein weiterer herber Vergütungseinschnitt für die Einrichtungen. Zugleich verschlechtert sich damit die Qualität der MBOR-Leistungen für Patient:innen in der Orthopädie. Mit ihrer Antwort auf die Kritik ließ sich die DRV fast zwei Monate Zeit, um dann der AGMedReha lapidar mitzuteilen, dass eine „Vereinheitlichung und Angleichung der Verweildauer der MBOR-Leistungen an die Verweildauer der Basisabteilung dringend geboten ist, um Benachteiligungen der MBOR-Abteilungen zu vermeiden“. Ein Änderungsbedarf für diese Entscheidung sei nicht erkennbar. Unbeantwortet blieb die Frage der AG MedReha, wie eine ebenfalls von der DRV geforderte Personalaufstockung zum 1. Januar 2025 finanziert werden soll. Diese erstmalig verpflichtenden ergänzenden Personalvorgaben für die MBOR waren den Einrichtungen auferlegt worden, ohne die Refinanzierung dieser zusätzlich verpflichtenden Stellen zu regeln. Zu verstehen ist das nicht.

Hoheitliches Verwaltungshandeln

Mindestens ebenso „hoheitlich“ ist das Vorgehen der DRV bei der Kürzung der Vergütung für die digitale Nachsorge. Dazu haben die DRV-Gremien einen Abschlag um 30 Prozent beschlossen. Diese einseitige, unangekündigte Preissenkung ist aus Sicht der AG MedReha für zahlreiche Reha-Einrichtungen, die digitale Nachsorge anbieten, außerordentlich problematisch. Wird die Kürzung nicht zurückgenommen, ist zu befürchten, dass viele Kliniken aus dieser innovativen und patientenorientierten Versorgungsform wieder aussteigen. Die Kürzung würde damit zu einem Rückschritt in der Vielfalt der Versorgungsangebote führen. Dies geht in erster Linie zulasten der Leistungsberechtigten, denn sie verlieren Wahlmöglichkeiten und den Zugang zu einer flexiblen und digitalen Versorgung. Doch auch zu diesem brisanten Thema und der dazu vorgetragenen Kritik hat die DRV Bund im Antwortschreiben nur allgemeine Erläuterungen gegeben und erklärt, dass sie keinen Änderungsbedarf sieht.

Bleiben nur Rückzug oder Rechtsweg?

Die betroffenen Reha-Einrichtungen stehen jetzt vor der Entscheidung, welche Konsequenzen sie aus der Vergütungskürzung ziehen sollen und müssen. Klar ist, dass ohne ausreichende Vergütung eine wirtschaftliche Leistungserbringung nicht mehr möglich ist. Sollte es also kein Einlenken der DRV geben, müssten zahlreiche Einrichtungen ihre entsprechenden Leistungsangebote einstellen oder zumindest erheblich reduzieren. Erste Reha-Einrichtungen haben wegen der Kürzung bereits ihre digitalen Nachsorgeangebote eingestellt. Wenn weitere Kliniken folgen, wird damit eine sinnvolle und innovative Entwicklung, deren Erfolg für die Patientenversorgung offensichtlich ist, komplett zum Erliegen kommen.

Eine weitere Möglichkeit wäre, die DRV-Entscheidungen rechtlich zu überprüfen und dagegen vorzugehen. Ansatzpunkte bieten sich dafür durchaus, da die DRV die erforderliche Beteiligung der Verbände und Leistungserbringer unterlassen hat – ein formaler Mangel. Möglicherweise verstößt die pauschale Preisreduzierung für die digitale Nachsorge auch gegen das Gebot einer wirtschaftlichen und auskömmlichen Finanzierung der Leistungserbringer. Dem Rechtsweg vorzuziehen ist aus Sicht des BDPK der Versuch, die DRV zu einer Rücknahme oder zumindest Aussetzung der Entscheidungen zu bewegen. Die DRV sollte auch angesichts der von der Bundesregierung vorangetriebenen Digitalisierung überdenken, ob die Reduzierung der Vergütung eine politisch gewollte und nachvollziehbare Maßnahme ist. Gemeinsames Ziel der Leistungsträger und -erbringer muss sein, die Digitalisierung auch in der Reha zu fördern, um die Versorgungsqualität zu verbessern, Effizienzreserven zu heben und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.