Empörung über geplante Gesetze

Die Krankenhäuser sowie Reha- und Vorsorgeeinrichtungen in privater Trägerschaft haben im Rahmen der Anfang September gestarteten DKG-Kampagne „Alarmstufe Rot“ ihre Forderungen bekräftigt. Die Kliniken brauchen einen Inflationsausgleich und verlässliche Rahmenbedingungen.

Die Proteste der Kliniken werden lauter und haben auf Länderebene zumindest teilweise Gehör gefunden. Als offensichtliche Reaktion auf die bundesweite Kampagne „Alarm- stufe Rot“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) verlangen inzwischen auch mehrere Bundesländer aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise einen Inflationsausgleich für Krankenhäuser sowie Reha- und Vorsorgeeinrichtungen. So wichtig dieser Ausgleich auch ist, den Kliniken drohen durch die derzeit in Vorbereitung befindlichen Gesetzesvorhaben und die kürzlich verabschiedeten Gesetze weitere massive wirtschaftliche und strukturelle Belastungen. Der BDPK hat dazu seine Forderungen und Vorschläge in die parlamen- tarischen Debatten eingebracht.

Krankenhauspflegeentlastungsgesetz

Der am 14. September 2022 vorgelegte Kabinettsbeschluss für ein Krankenhauspflegeentlastungsgesetz sieht unter anderem die Einführung eines neuen Instruments zur Personalbemessung in Krankenhäusern vor. Der BDPK hat dazu gefordert, dass parallel geltende Dokumentations- und Sanktionsregelungen beendet werden müssen. Andernfalls wird das Nebeneinander der verschiedenen, nicht aufeinander abgestimmten Vorschriften den bestehenden Pflegekräftemangel weiter verschlimmern. Der Wust bereits geltender unterschiedlicher Gesetze und Richtlinien muss beendet werden. Weil der dafür von den Krankenhäusern zu leistende Dokumentations- und Zeitaufwand schon jetzt kaum noch beherrschbar ist, sollte ein neues Personalbemessungsinstrument die Belastungen verringern, statt sie noch weiter zu steigern.

Kein Verständnis hat der BDPK für die vorgesehene Eingriffsmöglichkeit des Finanzministeriums bei der Festlegung, welche und wie viele Pflegekräfte in Kliniken eingesetzt werden. Damit würde eine Versorgungspolitik nach Kassenlage eingeführt und die Personalpolitik der Krankenhäuser in eine Zentralverwaltungswirtschaft überführt. Der BDPK erinnert in diesem Zusammenhang an das Versprechen im Koalitionsvertrag, bei der Einführung eines neuen Personalbemessungs- instruments einen praxistauglichen Qualifikationsmix der Kliniken zu ermöglichen. Ein Mitspracherecht des Finanzministeriums würde dies erschweren und weitere Regelungen dazu fehlen im Gesetzentwurf, obwohl gerade die Stärkung der Organisationsspielräume den Kliniken nützen würde. Zusätzliche Regulierungen oder neue Sanktionen für die Kliniken führen in der Pflege nicht zu neuen Arbeitskräften, attraktive Arbeitsbedingungen schon. Wirksam und nachhaltig verbessert würden die Arbeitsbedingungen durch Entlastung der Pflegekräfte, deshalb müssen im neuen Instrument unbedingt Konzepte Berücksichtigung finden, die eine sinnvolle Arbeitsteilung in der Pflege ermöglichen. Am besten funktioniert die Zusammenarbeit auf den Stationen mit einem Mix aus akademisch ausgebildeten und examinierten Pflegekräf- ten, Therapeuten und Pflegehilfskräften sowie mit gemeinsam geleiteten ärztlichen und pflegerischen Teams.

Der BDPK bekräftigt zudem seine Forderung nach einem Ganzhausansatz, der im Kabinettsentwurf ebenfalls fehlt. Kleinteilige Nachweise der Personalstärke auf Stationsebene sind eine unnötige bürokratische Belastung und nehmen den Krankenhäusern die notwendige Flexibilität. Mit einem Ganzhausansatz wird dagegen sichergestellt, dass die Krankenhäuser die Versorgung auch bei saisonalen Schwankungen und Spitzenlasten aufrechterhalten können.

Sehr kritisch und als praktisch nicht umsetzbar bewertet der BDPK die im Entwurf enthaltenen Regelungen, mit denen die schleppenden Pflegebudgetverhandlungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern beschleunigt werden sollen. Statt der vorgesehenen zusätzlichen Belastung von Schiedsstellen schlägt der BDPK unter anderem vor, die ohnehin aufgrund gesetzlicher Vorgaben vorhandenen Wirtschaftsprüfertestate als Basis für die Verhandlungen der Pflegebudgets festzulegen. Dadurch würden wesentliche Verzögerungsgründe entfallen und schnellere Budgetabschlüsse ermöglicht. Jeder Monat ohne Budgetabschluss bedeutet für die Krankenhäuser erhebliche Liquiditätsverluste.

Covid-19-Schutzgesetz

Der Bundesrat hat am 16. September 2022 dem bereits vom Bundestag verabschiedeten Covid-19-Schutzgesetz zugestimmt. Damit gilt ab 24. September 2022 eine FFP2-Maskenpflicht für alle, die eine Klinik betreten (sowohl Externe und Besucher als auch Beschäftigte). Zudem gilt eine Coronatestpflicht unter Aufsicht: für die Beschäftigten „nur“ dreimal wöchentlich, für Besucher immer. Zusätzlicher und nicht leistbarer Aufwand entsteht auch durch die Einführung einer täglichen Meldepflicht der Krankenhäuser, die Belegungsdaten an das DEMIS-Meldeportal des Bundes melden sollen. Obwohl sie grundsätzlich das Ziel der Politik unterstützen, ein umfassendes Bild über das pandemische Geschehen in Deutschland zu erhalten, lehnen die Kliniken die überstürzte Einführung der Meldepflicht ab, die weder technisch noch zeitlich umsetzbar ist.

Für die Reha- und Vorsorgeeinrichtungen soll es nach dem Covid-19-Schutzgesetz nur dann einen Ausgleich für Mehraufwand und Mindererlöse geben, wenn der Deutsche Bundestag eine „Lage von nationaler Tragweite“ festgestellt hat. Eine Rahmenempfehlung für entsprechende Vergütungsanpassungen sollen der GKV-Spitzenverband und die Reha- Leistungserbringerverbände zwar bis zum 31. Dezember 2022 verhandeln, deren Umsetzung ist aber eher unwahr- scheinlich.

GKV-Finanzierungsstabilisierungsgesetz

Das Gesetz steht vor der Verabschiedung im Bundestag und sieht Sparmaßnahmen in unterschiedlichen Bereichen vor. Für Krankenhäuser sollen ab 2024 die berücksichtigungsfähigen Berufsgruppen im Pflegebudget erheblich eingeschränkt werden. Statt dem erklärten politischen Ziel, Pflege zu stärken, würden damit Arbeitsplätze in der Pflege gefährdet. Denn mit dem Gesetz würde ab 2024 die Finanzierungsgrundlage für 20.000 Pflegehilfskräfte entfallen. Berufsgruppen, die bislang eine tragende Säule bei der pflegerischen Versorgung ausmachen und die examinierte Pflege entlasten, sollen künftig nicht mehr im Pflegebudget finanziert werden. Dazu gehören pflegerische Hilfskräfte ebenso wie therapeutische Berufsgruppen, die therapeutisch-pflegerische Diens- te ausüben (Physiotherapeut:innen, Ergotherapeut:innen, Heilerziehungspfleger:innen und Hebammen). Die Kliniken wären gezwungen, diese Mitarbeiter:innen von der Pflege am Bett abzuziehen und zu entlassen. Die entstandene Lücke müssten examinierte Pflegekräfte auffangen. Der Fachkräftemangel in der Pflege würde hierdurch verschärft. Denn examiniertes Pflegepersonal müsste dann wieder Tätigkeiten übernehmen wie den Patient:innen Hilfestellung beim Essen geben, bei der Körperpflege, beim Aufstehen oder dem Gang zur Toilette, von denen sie durch Hilfskräfte entlastet wurden. Der BDPK fordert deshalb die Streichung der Einschränkungen beim Pflegebudget und verlangt Planungssicherheit für die Krankenhäuser.

Reha- und Vorsorgeeinrichtungen

Im Rahmen der bundesweiten Kampagne der DKG hat der BDPK an Politik, Krankenkassen und Rentenversicherung appelliert, ihre Verantwortung wahrzunehmen und eine sofort wirksame Anpassung der Vergütung von Reha- und Vorsor- geeinrichtungen möglich zu machen. Der BDPK verweist da- zu auf eine von ihm Anfang September 2022 durchgeführte Blitzumfrage, die für alle ambulanten sowie stationären Reha- und Vorsorgeeinrichtungen repräsentativ ist. Die Um- frageergebnisse zeigen, dass die Kosten für Sachmittel, Le- bensmittel und für den medizinischen Bedarf gegenüber dem Vorjahr um bis zu 30 Prozent gestiegen sind. Dies und die be- vorstehende Explosion der Energiekosten um bis zu 400 Pro- zent werden viele Kliniken nicht mehr verkraften können, da ihre Vergütungssätze mit den Krankenkassen und der Renten- versicherung vertraglich langfristig fixiert sind.

Wie die aktuelle Umfrage außerdem zeigt, liegt der Bele- gungs- und Einnahmerückgang bei bis zu 20 Prozent und wird durch Belegungsabsagen, krankheitsbedingte Personalausfälle und behördliche Einschränkungen verursacht. Hinzu kommen neue gesetzliche Auflagen wie die Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken oder erweiterte Coronatestpflichten für Pa- tient:innen und Mitarbeiter:innen, die zusätzlichen Personal- aufwand und zusätzliche Kosten verursachen. Ein finanzieller Ausgleich dafür fehlt, da die vorherigen Unterstützungsmaß- nahmen zum 30. Juni 2022 ausgelaufen sind und nicht verlän- gert wurden. Vielmehr fordert die Deutsche Rentenversiche- rung derzeit bei einer Vielzahl der Einrichtungen die zuvor gewährten Coronahilfen zu 70 Prozent zurück. Wenn Reha- und Vorsorgeeinrichtungen wegen der Belastungen schließen müssten, drohe auch in den Krankenhäusern ein Versorgungs- kollaps, warnt der BDPK. Diese sind darauf angewiesen, die Patient:innen zeitnah in die Anschlussrehabilitation entlassen zu können. Politik, Krankenkassen und Rentenversicherung müssten ihre Verantwortung wahrnehmen und dafür sorgen, dass die Vergütung für Reha und Vorsorge sofort angepasst wird. Dazu schlägt der BDPK einen Sockelzuschlag von 15 Euro pro Belegungstag und Patient:in vor, der sich aus einem Inflationsausgleich und einem Coronazuschlag zusammen- setzt. Falls die ab Herbst erwartete Coronawelle eintritt, soll- ten zusätzlich mögliche Belegungsausfälle der Kliniken von allen Reha-Trägern in Anlehnung an die zum 30. Juni 2022 ausgelaufene Regelung durch einen Mindererlösausgleich überbrückt werden. Dadurch entstehende Mehrkosten werden aufgefangen, weil die Krankenkassen und die Deutsche Ren- tenversicherung als die größten Träger für Leistungen der me- dizinischen Rehabilitation während der Coronapandemie rund 1,5 Milliarden Euro Minderausgaben bei den Reha-Leis- tungen hatten.