Krankenhausreform

Finanzierung und Insolvenzen

Die von der Politik ausgelöste Unterfinanzierung der Krankenhäuser hat zu einer historisch hohen Insolvenzgefahr geführt. Der BDPK hat zusammengefasst, warum die festgefahrene Reform die Probleme nicht lösen wird und welche Alternativen es gibt.

Politische Verantwortung

Zu Beginn des Jahres 2024 ist die finanzielle Lage der Krankenhäuser so schlecht wie nie: Laut aktuellem Krankenhaus Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) erwarten fast 80 Prozent der Kliniken für das Jahr 2023 ein negatives Jahresergebnis, nur noch sieben Prozent rechnen mit einem Jahresüberschuss. Für das Jahr 2024 gehen 71 Prozent der Krankenhäuser von einer weiteren Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation aus und nur vier Prozent von einer Verbesserung. Nachdem 2023 bereits 40 Kliniken Insolvenz anmelden mussten, könnte sich diese Zahl nach Expertenansicht im Jahr 2024 auf 80 erhöhen.

Wesentliche Ursache für die wirtschaftliche Schieflage der Krankenhäuser ist die andauernde Unterfinanzierung ihrer Betriebskosten. Dies ist Folge einer jahrelangen Politik, die erhebliche Einschnitte in das DRG-System veranlasst hat. Eine ausführliche Übersicht der politischen Eingriffe ins DRG- System, die negative Auswirkungen auf die Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser haben, ist auf der BDPK-Homepage veröffentlicht. Daraus einige Beispiele:

  • Landesbasisfallwert (LBFW): Streichung der Möglichkeit, dass bei Leistungsrückgängen der Landesbasisfallwert angehoben werden kann. Geregelt im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (2022) von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
  • Normierung: Normierung der Bewertungsrelationen in den aG-DRG-Katalogen für 2022 und 2023 im Wert von insgesamt 575 Millionen Euro. Geregelt in den DRG-Entgeltkatalog-Verordnungen (2021/2022, Ersatzvornahme BMG) von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und dem vorherigen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
  • Pflegebudget: Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem DRG-System mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (2019) von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
  • FDA: Einführung des Fixkostendegressionsabschlags bei Mehrleistungen in Höhe von 35 Prozent, gültig für drei Jahre. Geregelt im Krankenhausstrukturgesetz (2016) von Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU)
  • Sachkostenkorrektur: Abbau vermeintlicher Überver- gütung der Sachkostenanteile durch Abwertung von Sachkostenanteilen und Aufwertung von Personalanteilen der Bewertungsrelationen. Geregelt im Krankenhausstrukturgesetz (2016) von Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU).
  • Veränderungswert: Einführung zu verhandelnder Veränderungswerte mit Ein-Drittel-Kappung. Geregelt im Psych-Entgeltgesetz (2012) von Bundesgesundheitsminis- ter Daniel Bahr (FDP).
  • Veränderungsrate: Reduktion der Veränderungsrate um 0,25 Prozent für 2011 und um 0,5 Prozent für 2012. Geregelt im GKV-Finanzierungsgesetz (2010) von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP).
  • Sanierungsbeitrag GKV: in Höhe von circa 380 Mil- lionen Euro durch 0,5-Prozent-Abschlag auf Krankenhausrechnungen und Senkung der Mindererlösquote von 40 auf 20 Prozent. Geregelt im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (2007) von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Fallzahl- und Erlösentwicklung

Bei der Einführung der DRG/Fallpauschalen hatten die Patientenzahlen eine zentrale Bedeutung. Über die Fallzahlabhängigkeit des Landebasisfallwertes sollte die Finanzierung der Krankenhäuser stabilisiert werden. Bei steigenden Fallzahlen verringerte sich der Landesbasisfallwert, um die Ausgaben der Krankenkassen stabil zu halten. Bei sinkenden Fallzahlen sollte er ansteigen, um die Krankenhäuser wirtschaftlich stabil zu halten. Diesen Mechanismus hat der Bundesgesetzgeber mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz 2022 in Anbetracht sinkender Fallzahlen dauerhaft außer Kraft gesetzt. Dadurch verzeichnen die Krankenhäuser nun Einnahmeausfälle in Höhe von durchschnittlich 14 Prozent. Damit stecken die Kliniken in einer doppelten Falle: Die Preissteigerungen werden nur zum Teil ausgeglichen, während die Einnahmeausfälle durch rückläufige Fallzahlen gar nicht ausgeglichen werden. Deswegen rutschen alle Krankenhäuser zwangsläufig ins betriebswirtschaftliche Minus. Nach Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) betrug das Defizit der deutschen Krankenhäuser bis Ende 2023 rund 9 Milliarden Euro. Im Jahr 2024 steigt es Monat für Monat um 500 Millionen Euro weiter an. Krankenhausinsolvenzen werden die zwangsläufige Folge sein.

Hinzu kommt, dass mit den grundsätzlich zu begrüßenden gesetzlichen Maßnahmen zur ambulanten Öffnung von Krankenhäusern (AOP-Katalog, Hybrid-DRG, Tagesbehandlung) ein erheblicher Erlösrückgang für die Krankenhäuser einhergeht. Die Vergütung für ambulante Leistungen beträgt teilweise nur die Hälfte der Vergütung für stationäre Leistungen. Bei dem durchaus vorhandenen Willen zur ambulanten Öffnung bedeutet dies für viele Krankenhäuser schmerzhafte Einnahmerückgänge, die zur Unzeit kommen.

Reformpläne lösen Finanzierungsprobleme nicht

► Krankenhaustransparenzgesetz ist eine Nebelkerze
Bundesgesundheitsminister Lauterbach behauptet, die Länder würden die mit dem Transparenzgesetz vorgesehenen finanziellen Hilfen verhindern und somit zur Verschlimmerung der wirtschaftlichen Situation beitragen. Diese Behauptung ist schlicht falsch. Konkret verspricht der Bundesgesundheitsminister eine frühzeitige Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen, eine Erhöhung des vorläufigen Pflegeentgeltwertes und einen schnelleren Mindererlösausgleich für Pflegekosten. Bei diesen geplanten Maßnahmen handelt es sich nicht um zusätzliche Mittel oder zusätzliches Geld. Vielmehr sind es Finanzierungsansprüche, die die Kliniken schon jetzt gegenüber den Krankenkassen haben und die etwas früher ausgezahlt werden sollen. Mehr Geld zum Ausgleich der Preissteigerungen und zur rückläufigen Fallzahl soll es nicht geben. An der chronischen Unterfinanzierung der Betriebskosten wird das Transparenzgesetz nichts ändern. Wie umfangreich die Kliniken gegenüber den Krankenkassen in Vorleistung gehen, zeigt der Umsetzungsstand der Pflegebudgetvereinbarungen. Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz waren 2019 die Pflegepersonalkosten aus den DRG-Fallpauschalen ausgegliedert worden, um die Pflege zu stärken. Dazu sollen die Personalkosten für die Mitarbeiter, die in die direkte Pflege von Patienten („Pflege am Bett“) eingebunden sind, außerhalb der DRG-Fallpauschalen über ein krankenhausindividuell zu verhandelndes Pflegebudget abgerechnet werden. Der Gesetzgeber erhoffte sich dadurch Verbesserungen für die Personalausstattung und die Arbeitsbedingungen sowie ganz konkret „mehr Hände“ für die Pflege am Bett. Von der politischen Absicht ist bisher allerdings wenig in der Praxis angekommen. Denn aktuell – Stand Ende 2023 – haben die Krankenkassen für das Abrechnungsjahr 2021 nicht einmal mit der Hälfte der Krankenhäuser Pflegebudgets verhandelt. Für das Abrechnungsjahr 2022 sind es bislang sogar weniger als 16 Prozent.

► Vorhaltefinanzierung verfehlt alle Ziele
Die Vorhaltefinanzierung ist eines der zentralen Reformele- mente und soll zu Entökonomisierung, Entbürokratisierung  und Existenzsicherung insbesondere der kleinen Krankenhäuser führen. Welche Auswirkungen die im Arbeitsentwurf des BMG konstruierte Vorhaltefinanzierung tatsächlich hätte, liefert die von der Deutschen Krankenhausgesellschaft beauftragte und Mitte Januar vorgestellte Analyse der Vebeto GmbH. Ein wesentliches Ergebnis lautet: „Im aDRG-System schwanken die Erlöse abhängig von den Fallzahlen. Mit der Vorhaltefinanzierung schwanken sie auch, nur komplizierter und auf längeren Zeitskalen. Im Mittel und über lange Zeitskalen verhalten sich die Erlöse gleich wie im aDRG-System. In den Simulationen haben wir also keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass die neue Art der Finanzierung kleinen Krankenhäusern hinsichtlich des wirtschaftlichen Überlebens hilft.“

Irrtümer und Täuschungen

Obwohl ihm die Finanznöte der Krankenhäuser durchaus bekannt waren, behauptete Bundesgesundheitsminister Lauterbach im November 2023: „Ich glaube nicht, dass 2024 das Jahr des Krankenhaussterbens sein wird. Das halte ich für ausgeschlossen.“ Doch nur kurz danach, am 15. Januar 2024, warnte er bei einem Treffen der Kommunalverbände: „Mehr als 100 Krankenhäusern droht ohne das Gesetz 2024 die Insolvenz.“ Deshalb müsse das derzeit auf Eis liegende Transparenzgesetz am 2. Februar im Bundesrat beschlossen werden. Dann könnten die Krankenhäuser bundesweit eine Liquiditätsspritze von sechs Milliarden Euro erhalten. Tatsächlich bringen die versprochenen Liquiditätshilfen keinen einzigen zusätzlichen Euro für den notwendigen Inflationsausgleich. Es sind Ansprüche, die die Kliniken gegenüber den Krankenkassen für bereits ausgezahlte Pflegepersonalkosten längst haben und die nur etwas früher ausgezahlt werden sollen. Dass diese bestehenden Forderungen der Krankenhäuser als Druckmittel und Verhandlungsmasse beim Transparenzgesetz eingesetzt werden, ist ein klares Täuschungsmanöver.

Lösungsalternativen

Um die Finanzierungsprobleme der Krankenhäuser zu lösen und weitere Insolvenzen zu vermeiden, schlägt der BDPK vor:

  1. Wiedereinführung der Möglichkeit der Landesbasisfallwertkorrektur bei sinkenden Fallzahlen (§ 10 Abs. 4 KHEntgG)
  2. Aufhebung der Kappung des Veränderungswertes (§ 9 Abs. 1 b KHEntgG, § 10 Abs. 6 KHEntgG und § 9 Abs. 1 BPflV)
  3. Streichung der Kappungsgrenze (aktuell 50 Prozent) bei Refinanzierung der Tarifsteigerungen (§ 10 Abs. 5 KHEntgG)

Dies wären zielgerichtete Maßnahmen, die sich leicht umsetzen ließen. Sie würden von den Krankenkassen finanziert und hätten somit auch keine Auswirkung auf den Bundeshaushalt. Wie die Vorschläge gesetzlich umgesetzt werden können, hat der BDPK in einem gesonderten Papier beschrieben, das auf der BDPK-Homepage veröffentlicht wurde.