Psychiatrische und psychosomatische Versorgung

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) ist 2016 das pauschalierende Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) von einem Preissystem in ein Budgetsystem überführt worden. Seither stehen sich widersprechende Instrumente und Regelungen nebeneinander, welche die psychiatrischen/psychosomatischen Kliniken mit zahlreichen Problemen konfrontieren. Als Ersatz für die Konvergenz an die Landesbasisentgeltwerte wurde der Krankenhausvergleich eingeführt. Der bisherige Auftrag des G-BA, Empfehlungen für die Personalausstattung zu formulieren, wurde in eine Festlegung verbindlicher Mindestvorgaben verschärft, die im Jahr 2019 in die Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) mündete.

G-BA-PPP-RL

Am 19.09.2019 wurde im G-BA-Plenum gegen die Stimmen der DKG die Richtlinie zur Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL) beschlossen. Die vom G-BA festgelegten Mindestvorgaben entsprechen einer angepassten Psychiatrie-Personalverordnung und müssen mit einer Übergangsfrist von vier Jahren bis zum 01.01.2024 über alle Berufsgruppen erreicht werden. Angesichts der Corona-Pandemie hatte der G-BA im Frühjahr 2020 die Nachweispflichten für das Jahr 2020 ausgesetzt. Am 15.10.2020 erfolgten weitere Regelungen und Konkretisierungen. Laut Beschluss werden die Daten des Jahres 2020 nicht zur Ermittlung der Mindestvorgaben für das Jahr 2021 herangezogen. Stattdessen ist die Mindestvorgabe in 2021 auf Basis der Psych-PV-Einstufung im Jahr 2019 zu ermitteln. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass auch im Jahr 2021 die Folgen bei Nichteinhaltung der Mindestvorgaben ausgesetzt sind. Auch konnte ein kompletter Vergütungsausschluss in den Jahren 2022 und 2023 abgewendet werden. Allerdings müssen die Kliniken – entgegen des Frühjahr-Beschlusses – den Jahresnachweis 2020 übermitteln. Des Weiteren regelt der Beschluss den Umfang von Anrechnungsmöglichkeiten sowie die Aufnahme von zwei neuen Behandlungsbereichen in psychosomatischen Einrichtungen, für die bereits jetzt, gegen die Stimmen der DKG, Mindestvorgaben aufgenommen werden sollen. Trotz breiter Kritik ist der G-BA nicht grundsätzlich von der Richtlinie abgewichen. Auch die jüngsten Beschlüsse ändern nichts an den strukturellen Problemen, mit denen psychiatrische und psychosomatische Kliniken aufgrund der PPP-RL konfrontiert sind.

Keine starren Stationsgrenzen

So gefährden die starren Personalvorgaben den Versorgungsauftrag psychiatrischer und psychosomatischer Krankenhäuser nachhaltig. Die Leistungsfähigkeit einer Klinik lässt sich nicht über die Zahl des beschäftigten Personals definieren. Bei einer pauschalen Festlegung bleiben individuelle Charakteristika der Krankenhäuser unberücksichtigt. Kliniken weisen unterschiedliche Spezialisierungen, Behandlungsansätze und organisatorische Besonderheiten auf. Eine moderne psychiatrische und psychosomatische Versorgung orientiert sich längst nicht mehr an starren Stationsgrenzen, sondern am individuellen Bedarf der Patient:innen. Der kleinteilige stationsbezogene Nachweis widerspricht moderner psychiatrischer und psychosomatischer Versorgungsrealität und verhindert moderne Versorgungsangebote. Durch die Entscheidung muss Personal aus stationsübergreifenden Therapien in den Stationsbezug hineingezwängt werden. Als Folge steht zu befürchten, dass strenge Personalvorgaben in Verbindung mit dem Fachkräftemangel dazu führen, dass die psychiatrische und psychosomatische Versorgung stark gefährdet wird.

Der BDPK sowie zahlreiche Klinik- und Fachverbände tragen diese Kritik an der PPP-RL seit ihrer Einführung vor. Die im BDPK vertretenen Krankenhäuser haben sich zudem mit einem Appell an den G-BA gerichtet und diesen zur grundlegenden Überarbeitung der Richtlinie aufgefordert.

Der BDPK stützte seinen Appell an den G-BA auch auf eine Studie des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK). Dieses hatte im September 2020 die Ergebnisse des zweiten Forschungszyklus (Datenjahre 2016 bis 2018) für die Begleitforschung des pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (PEPP-Entgeltsystem) veröffentlicht[1]. Die Forschungsergebnisse des InEK sind eindeutig: Eine Verbesserung der Behandlungsqualität durch die Einführung des Systems kann nicht nachgewiesen werden, wohl aber steigende Kosten bei den Abrechnungsprozessen bei allen Beteiligten. Ein ernüchterndes Bild zeichnet auch das DKI Psychiatrie Barometer 2019/2020[2], welches u. a. zu dem Ergebnis kommt, dass 82 Prozent der Kliniken die PPP-RL für einen Rück- und keinen Fortschritt in der Versorgung psychisch kranker Menschen halten (siehe Abb.).

Der BDPK wird die Richtlinie auch zukünftig kritisieren. Es ist allerdings nicht absehbar, dass der G-BA die PPP-RL grundlegend anpassen wird. Es ist nun dringend notwendig, dass der Gesetzgeber eingreift! Vorschläge hierfür bzw. mögliche Alternativen zur PPP-RL werden in der FAG Budget Psychiatrie/Psychosomatik des Fachausschusses Krankenhäuser erarbeitet.

Krankenhausvergleich

Mit dem PsychVVG sollte die im Rahmen der Einführung des pauschalen Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PEPP-System) für 2019 vorgesehene Konvergenz der Vergütung der krankenhausindividuellen hin zu landeseinheitlichen Preisen gestoppt werden. Als Alternative zum bisherigen Konvergenzmechanismus wurde ein Krankenhausvergleich eingeführt, der 2020 erstmalig scharf gestellt wurde. In den Vergleich fließen insbesondere die im Vorjahr vereinbarten Leistungen und Entgelte, die regionalen oder strukturellen Besonderheiten in der Leistungserbringung, die vereinbarten und tatsächlich beschäftigten Vollkräfte sowie die ambulanten Leistungen ein. Die Ergebnisse des leistungsbezogenen Vergleichs sind grundsätzlich bundes- und landesweit auszuweisen und können nach Fachgebieten untergliedert werden. Sie sind auf der Website des InEK hier abrufbar.

Der Krankenhausvergleich führt faktisch dazu, dass sich die Krankenkassen als Verhandlungspartner vor Ort generell an den jeweils günstigsten und nicht an den besten Krankenhäusern orientieren werden. Der Krankenhausvergleich hat damit einen immanenten und dauerhaften Abwärtstreppeneffekt bei den Budgets zur Folge. Diese Entwicklung wird bereits durch die heutige Praxis der Budgetvereinbarung deutlich. Selten gelingt es den Krankenhäusern in den Budgetverhandlungen, den möglichen Veränderungswert (oder doppelten Veränderungswert im Fall der Option) zu vereinbaren. Verschärft wird diese Entwicklung durch weitere Finanzierungs- und Leistungsnachweise (Bewertungsrelationen, Personalvorgaben, MDK-Überprüfungen), die die Vereinbarung leistungsgerechter Budgets erschweren werden.

Während im psychiatrischen/psychosomatischen Bereich zuvor auf Ortsebene einvernehmlich festgelegt werden konnte, wie und zu welchem Preis die Versorgung der psychisch kranken Menschen in diesem Krankenhaus erfolgen soll, wird im Zuge des Krankenhausvergleichs durch die Gegenüberstellungen von Kennzahlen mit denen anderer Krankenhäuser die einvernehmlich gefundene Vereinbarung infrage gestellt. Die Versorgungsverantwortung der Vertragspartner auf Ortsebene wird ad absurdum geführt. Die Gründe für regional verhandelte Besonderheiten (konzeptionelle Ausrichtung, tatsächliche Personalintensität durch die unterschiedliche Patient:innenklientel) sind im betrieblichen Krankenhausvergleich zudem nicht erkennbar, nur die Kennzahlen. Das Ziel einer auf die regionalen Bedürfnisse und Besonderheiten abgestimmten medizinischen Versorgung wird durch diesen Vergleich mit den Gegebenheiten anderer Krankenhäuser konterkariert.